Die Welt der Lebensmittelzusatzstoffe
In vielen Tabletten, Kapseln oder Pulvern begegnen uns immer wieder Zusatzstoffe wie Siliciumdioxid, Magnesiumstearat oder Mikrokristalline Cellulose (MCC). Doch warum kommen diese Stoffe zum Einsatz? Und was ist eigentlich dran an den vielen Mythen, die sich um sie ranken?

Was genau sind Lebensmittelzusatzstoffe?
Zusatzstoffe sind Stoffe, die aus technologischen Gründen einem Lebensmittel zugesetzt werden – zum Beispiel, damit Pulver nicht verklumpen oder Tabletten in Form bleiben. Dabei ist es egal, ob sie Nährwert haben oder nicht. Wichtig ist: Sie sollen bei der Herstellung, Verarbeitung oder Lagerung eine bestimmte Funktion erfüllen.
Geregelt ist das alles in der EU-Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, die ausweist, welche Zusatzstoffe für die verschiedenen Lebensmittelkategorien zugelassen sind sowie die Höchstmengen angibt. Jeder zugelassene Stoff bekommt eine sogenannte E-Nummer – zum Beispiel ist Magnesiumstearat als E 470b bekannt. Wird ein solcher Stoff eingesetzt, muss das im Zutatenverzeichnis angegeben werden, stets mit seiner technologischen Funktion und entweder dem Namen oder der E-Nummer.
Es gibt allerdings zwei Ausnahmen:
Carry-over: Wird ein Zusatzstoff als Bestandteil einer Zutat eingebracht (z. B. als Rieselhilfe in Salz), muss er nicht mehr separat deklariert werden, wenn er im Endprodukt keine technologische Wirkung mehr hat. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Siliciumdioxid oder Natriumferrocyanid als Rieselhilfe in Salz. Auf der Verpackung des Salzes muss der Zusatzstoff angegeben werden, wird das Salz z.B. in einer Fertigsuppe verarbeitet, reicht als Deklaration „Salz“.
Verarbeitungshilfsstoffe: Diese werden zwar im Produktionsprozess eingesetzt, sind im fertigen Produkt aber praktisch nicht mehr vorhanden, weil sie bis auf unvermeidbare Rückstände wieder entfernt wurden. Ein Beispiel ist Gelatine bei der Saft- oder Weinklärung - das erklärt, warum viele Säfte und Weine nicht vegan sind.
Siliciumdioxid, Magnesiumstearat und Mikrokristalline Cellulose
Eigenschaften im Fokus
Magnesiumstearat - das Schmier- und Trennmittel für die Tablette
Magnesiumstearat - auch bekannt als Magnesiumsalz der Stearinsäure - sorgt dafür, dass Pulver in unseren Maschinen nicht kleben bleibt. Es wirkt wie ein Schmiermittel und verleiht Tabletten eine glatte Oberfläche. Auch die Fließfähigkeit wird verbessert: Bei einigen Pulvern ist die Fließfähigkeit so schlecht, dass man das Pulver nur verarbeiten kann, wenn man dessen Fließfähigkeit zum Beispiel durch die Verwendung von Magnesiumstearat verbessert.
Wichtig: Wird es zu lange mitgemischt, kann das Produkt „überschmieren“ - die Tabletten werden dann bröselig.
Mikrokristalline Cellulose (MCC) - der Füllstoff mit Struktur
MCC wird aus Pflanzenfasern gewonnen und ist ein unverdaulicher Ballaststoff. Ihre Hauptaufgabe: Füllen. Besonders bei Produkten mit sehr geringer Wirkstoffmenge (z. B. Vitamin K) ist MCC wichtig, damit die Kapseln überhaupt die Mindestfüllmenge erreichen.
Bei Tabletten kommt es hingegen eher auf die richtige „Konsistenz“ an: MCC kann je nach Herstellungsart und Partikelgröße unterschiedliche Eigenschaften besitzen, weshalb man bei Tabletten z.B. darauf achten muss einen Rohstoff mit guter plastischer Verformbarkeit einzusetzen. MCC mit zu elastischen Eigenschaften kann bei Tabletten zu Problemen wie „Deckeln“ führen. „Deckeln“ beschreibt dabei einen Prozess, bei dem sich bei der Tablette der obere Teil horizontal ablöst. Für Kapseln dagegen kann eine elastischere Variante der MCC verwendet werden.
Siliciumdioxid - das Pulver bleibt locker
Siliciumdioxid wirkt als Trennmittel und verhindert, dass Pulver verklumpt – sei es im Beutel, in der Kapsel oder beim Tablettenpressen. Es macht das Pulver „fließfähiger“, was für die Maschinen und die Qualität der Endprodukte enorm wichtig ist. Außerdem wird die Stabilität und Glattheit einer Tablette durch den Einsatz von Siliciumdioxid verbessert.

Mythen und Fakten rund um Zusatzstoffe
Es gibt zahlreiche Mythen und Vorurteile bezüglich des Einsatzes von Zusatzstoffen im Allgemeinen und Magnesiumstearat, MCC und Siliciumdioxid im Speziellen. Wie viel an diesen dran ist, wollen wir im Folgenden klären.
❌ „Zusatzstoffe sind unnötig"
✅ Zusatzstoffe werden Produkten aus einem technologischen Grund zugegeben. Sie dienen also immer einem Zweck. Aus diesem Grund gibt es keine „unnötigen“ Zusatzstoffe. Je nach Produkt kann es notwendig sein, Zusatzstoffe einzusetzen, z.B. um Verklumpungen zu verhindern, Pulver verpressbar zu machen oder die Fließfähigkeit zu erhöhen, damit die Produkte auf Maschinen laufen können.
❌ „Zusatzstoffe unter 2 % muss man nicht deklarieren.“
✅ Auch das ist nicht korrekt. Sobald ein Zusatzstoff im Endprodukt eine technologische Wirkung hat, muss er auch angegeben werden - unabhängig vom Mengenanteil.
❌ „Tabletten sind generell immer ohne Siliciumdioxid, Magnesiumstearat, MCC und Co. herstellbar.“
✅ Nur in wenigen Fällen - etwa bei Calciumcarbonat in Granulatform. Bei den meisten Rohstoffen, vor allem bei Rohstoffmischungen, in denen man verschieden Partikelgrößen und -arten vorliegen hat, braucht es jedoch Hilfsstoffe wie MCC, Magnesiumstearat oder Siliciumdioxid, um eine ausreichend harte, stabile Tablette zu erhalten, deren Pulver nicht an den Maschinenteilen kleben bleibt und die unversehrt beim Verbraucher ankommt.
❌ „Auf Trennmittel in Kapseln kann man immer verzichten.“
✅ Kommt ganz auf das Pulver an. Feine, schlecht fließende Pulver können Maschinen verstopfen oder zu Gewichtsschwankungen führen. Besonders bei hygroskopischen Pulvern kann sich das Fehlen eines Trennmittels negativ auf die Stabilität auswirken. Das Pulver verfestigt sich in der Kapsel schneller und es können Farbveränderungen auftreten - ein möglicher Reklamationsgrund für den Endkunden. Dementsprechend kann es Pulvermischungen geben, die die Verwendung eines Trennmittels nötig machen, wenn sie verkapselt werden sollen.
❌ „Magnesiumstearat, MCC und Siliciumdioxid sind gesundheitsschädlich.“
Auch das ist ein häufiger Vorwurf - der sich aber nicht bestätigt hat:
✅ Magnesiumstearat wird vom Körper in Fettsäuren und Magnesium zerlegt und ganz normal verarbeitet. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat keine Sicherheitsbedenken festgestellt. Die angeblichen gesundheitsschädlichen Wirkungen von Magnesiumstearat beruhen häufig auf Ergebnissen von Einzelstudien, deren Übertragbarkeit auf den Menschen oft fraglich ist. Zum Beispiel fußt der Glaube, dass Magnesiumstearat das Immunsystem negativ beeinflusse auf einer Studie von 1990 bei der Immunzellen von Mäusen in Stearinsäure gebadet wurden. Da Immunzellen von Mäusen jedoch ganz anders reagieren als die von Menschen und die verwendeten Mengen an Stearinsäure um ein Vielfaches höher lagen als bei einem normalen Verzehr erreichbar, wurde diese Studie bereits widerlegt.
✅ Bei der Mikrokristalline Cellulose bezieht sich ein Großteil der Sorgen der Verbraucher auf den Fakt, dass MCC-Partikel unter 5 Mikrometer (Nanopartikel) die Darmwand passieren können. Da der Körper diese nicht verstoffwechselt, seien die Folgen auf die Gesundheit unklar. Die EFSA hat MCC im Jahr 2018 zuletzt neu evaluiert. Dabei wurde festgestellt, dass in der Industrie die Größe der eingesetzten Partikel mehrheitlich zwischen 10 und 100 Mikrometer liegt. Die EFSA erklärte außerdem, dass sich Cellulosepartikel in Wasser ausdehnen und es deshalb sehr unwahrscheinlich sei, dass noch Nanopartikel vorhanden sind, wenn die Nahrung im Darm ankommt.
✅ Auch bei Siliciumdioxid drehen sich die Sorgen besonders um den Einsatz von Nanomaterial. Siliciumdioxid mit Partikelgrößen im Nanobereich könne sich in den Organen ablagern und zu Problemen im Zellstoffwechsel führen. Die EFSA hat Siliciumdioxid 2024 neu bewertet und dabei im Vergleich zu der vorherigen Bewertung aus 2018 auch die Exposition mit Siliciumdioxidpartikeln im Nanobereich beurteilt. Dabei kam die EFSA zu dem Schluss, dass keine Sicherheitsbedenken für Siliciumdioxid in allen Bevölkerungsgruppen in den typischen Verwendungsmengen und -bereichen bestehen.
Noch mehr Neugier?
Zum Abschluss haben wir jetzt noch einen Ausflugs-Tipp für all jene, die gerne mehr über Zusatzstoffe wissen würden. In Hamburg ist das deutsche Zusatzstoffmuseum definitiv einen Besuch wert. Dort kann man stundenlang flanieren und viele interessante Fakten über die Welt der Zusatzstoffe in Erfahrung bringen.

Wir hoffen, dass wir dir einen ersten Überblick über dieses ausführliche Thema geben konnten. Für die Entwicklung und Herstellung deines individuellen Produktes berät dich unser Team gerne persönlich. Hier gehts zur Produktanfrage.
Quellen (Stand 10.04.2025):
- Re‐evaluation of sodium, potassium and calcium salts of fatty acids (E 470a) and magnesium salts of fatty acids (E 470b) as food additives - - 2018 - EFSA Journal - Wiley Online Library
- Re‐evaluation of celluloses E 460(i), E 460(ii), E 461, E 462, E 463, E 464, E 465, E 466, E 468 and E 469 as food additives - - 2018 - EFSA Journal - Wiley Online Library
- Re‐evaluation of silicon dioxide (E 551) as a food additive in foods for infants below 16 weeks of age and follow‐up of its re‐evaluation as a food additive for uses in foods for all population groups - - 2024 - EFSA Journal - Wiley Online Library